Schyren-Gymnasium Pfaffenhofen
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"Ich habe zufällig überlebt"

"Sorgt dafür, dass es sich nicht wiederholt." - Immer wieder sucht Abba Naor, Zeitzeuge des Holocaust, während seines Vortrags am Schyren-Gymnasium die Nähe der Jugendlichen.

Vortrag des jüdischen Zeitzeugen Abba Naor am Schyren-Gymnasium

Wer heute zur Schule geht, gehört zur letzten Generation derer, die Zeitzeugen des Holocaust noch persönlich begegnen können. Abba Naor war dreizehn Jahre alt, als die Wehrmacht seine Heimat Litauen besetzte und dort die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung begann. Durch Vermittlung der Gedenkstätte Dachau und auf Initiative der Pfaffenhofener Geschichtslehrerin Claudia Fabrizek kam Naor am Freitagvormittag zu einen bewegenden Vortrag in die Aula des Schyren-Gymnasiums.

"Ich bin nur einer, der zufällig damals gelebt hat, und der zufällig überlebt hat", sagt der 89-Jährige und berichtet von den Demütigungen im Konzentrationslager Stutthof, wo sein kleiner Bruder zusammen mit der Mutter ermordet wurde. Gegen Kriegsende wird Naor mit einer Gruppe von 150 jüdischen Jugendlichen aus Litauen nach Dachau verlegt. In den letzten Kriegstagen auf einen Todesmarsch geschickt, erlebte er in Bayern im Mai 1945 die Befreiung durch die Amerikaner.

Lebhaft bewegt sich Naor zwischen den Reihen der jungen Leute, denen er nahe sein will, und mit denen er immer wieder das Gespräch sucht. Er erzählt von der Flucht aus der Heimatstadt und vom Leben im Getto von Kaunas, wo schon für ein Kind der Versuch, etwas zu Essen zu kaufen, lebensgefährlich ist, und wo jeder Tag mit der Sorge beginnt, ob am Abend noch alle Familienmitglieder am Leben sein werden.

Naor stellt die Frage, wer die Täter des Holocaust waren - Menschen wie Standartenführer Karl Jäger, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, in Litauen unter Ausnutzung des einheimischen Antisemitismus möglichst viele Jüdinnen und Juden jeden Alters "umzulegen", um das Gebiet "judenfrei" zu machen. Täter wie er kommen meist als "ganz normale Männer" aus bürgerlichen Verhältnissen. Sie sind häufig Familienväter, die selbst den Massenmord an Kindern, wie ihn Naor miterlebt hat, noch als eine Arbeit betrachten, die eben erledigt werden muss.

Im Dachauer Außenlager Kaufering, das eine enorme Todesrate aufzuweisen hat, wird die nicht auflösbare Absurdität der NS-Zwangsarbeit offenbar: Häftlinge, deren Arbeitskraft für den "Endsieg" dringend benötigt wird, fallen dort der Vernichtung durch Arbeit zum Opfer - man lässt sie binnen kürzester Zeit an Entkräftung sterben.

"Wir haben das Lager verlassen, aber das Lager hat uns nie verlassen", sagt Naor. Und bei aller schwer erträglichen Eindringlichkeit seiner Schilderungen scheint es, dass nach dem zweistündigen Vortrag die Fragen erst beginnen, und dass das Eigentliche noch nicht einmal gesagt, weil unaussprechlich ist.

Abba Naors Zeitzeugenbericht ist 2014 unter dem Titel "Ich sang für die SS" im Verlag C. H. Beck erschienen und für 16,95 Euro im Buchhandel erhältlich.

Text und Foto: Roland Scheerer