Schyren-Gymnasium Pfaffenhofen
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Holocaustgedenktag 2013

Die Gruppe "Klezmotion" erweckte im Rathaussaal jüdische Melodien zum Leben. Foto: Scheerer

"Klezmotion" - jüdische Volksmusik im Rathaus

Der musikalische Dialog zwischen Pia Jenner-Horn (Violine) und Reinhard Hausner (Klarinette) war sicher ein Höhepunkt auf dem sonntäglichen Konzert des Quartetts "Klezmotion" im voll besetzten Rathaussaal; er steht sinnbildlich für den Versuch, mit einer verschütteten Vergangenheit in Kontakt zu treten. Weil ihre Melodielinien auf so suggestive Weise die menschliche Stimme nachahmen, eignet sich die jüdische Volksmusik besonders als Zeitmaschine; sie vermag einen Schwatz auf dem Gemüsemarkt ebenso lebendig werden zu lassen, wie sie in augenzwinkernder Schicksalsergebenheit Hochzeiten und Todesfälle in einem Atemzug nennt, wie das Klarinettensolo von irgendeinem erzählt, der mal die lehmige Straße runterging und in die Stadt ging und pleite ging und verdammt einsam war und sehr heftig mit Gott ins Gericht ging, so wie in irgendeiner Erzählung des großen Isaak B. Singer.

Orientalische Skalen über Mollharmonien verleiten dazu, aus der Klezmermusik schnell eine charakteristische Melancholie herauszuhören - wieweit diese der Musik immanent ist oder erst im mozartgeschulten Ohr des hiesigen Zuhörers entsteht, ist schwer zu entscheiden. Tatsache ist aber, dass selbst Motive der Totenklage Spuren im Repertoire der Klezmorim hinterlassen haben.
Begleitet von Wolfgang Hierl (Gitarre)und Erich Kogler (Kontrabass), finden Geige und Klarinette schließlich im hypnotischen Unisono des "Sestorka"-Ostinatos zusammen, wobei die trockene Akustik des Rathaussaals der Musik nicht erlaubt, zu ihrem höchsten Grad an Ekstase durchzudringen.

Zwölf Teilnehmer eines Projektseminars am Schyren-Gymnasium haben den Abend sorgfältig vorbereitet. Sie haben die Darbietung von "Klezmotion" mit Textbeiträgen ergänzt und mit dem Heimatforscher Reinhard Haiplik einen Experten engagiert, der in seiner Ansprache zum Holocaust-Gedenktag ein eindringliches Bild der NS-Zeit in Pfaffenhofen zeichnete. Sie haben sich aber auch einen Balanceakt zugemutet, der manche Gefahr birgt: Einerseits wird nicht jeder einverstanden sein, wenn wir der Opfer des Verbrechens ausgerechnet mit Tanzmusik gedenken, selbst wenn diese religiöse Untertöne besitzt und heute eher in der Kunst- und Weltmusik verortet wird; und andersherum lässt sich einwenden, dass die begründete Unsicherheit, ob man sich an einem solchen Tag an einem Konzert erfreuen sollte, dessen künstlerische Leistung in den Hintergrund treten lässt, kurz: ob Stille hier nicht angebrachter wäre.

Andererseits ist es natürlich ein berechtigtes Anliegen, jüdische Kultur lebendig zu halten und mit der Freude an dem, was geblieben ist, ein Zeichen der Hoffnung zu setzen. Dies jedenfalls ist den Jugendlichen und ihrer Geschichtslehrerin Veronika Kettner gelungen. Sie haben der Stadt einen eindrucksvollen Beitrag am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung geschenkt.

© Roland Scheerer, Pfaffenhofen 2013