Mit einer atemberaubenden Tanzdarbietung setzt das Stück in der Aula des Schyren-Gymnasiums ein: Schriftsteller Leon (Philipp Thaller) und sein Schatten trennen sich voneinander.

Der Schatten (Peter Sampel) sucht sich einen Job in einem Strandcafé und geistert als Mephisto und Doppelgänger des Autors – eines modernen Hans Christian Andersen – durch dessen Leben.

Später erzählt er als zynisch-melancholischer Märchenonkel, immer mit einer Dosis Kinsky in der Stimme, genau jene Geschichte, die dem Autor entfallen ist: die nämlich von der Meerjungfrau (Nina Raeder), die sich in einen Menschen verliebt.

Claudia Fabrizek, gewaschen mit den Wassern der romantischen Ironie, verschränkt in ihrem Stück „Der Schatten und die Meerjungfrau“ die beiden Märchenplots mit großer Eleganz, und Anna Maria Schirmers Inszenierung bewerkstelligt die Übergänge zwischen beiden Welten mit der Anmut und Ungezwungenheit von Meereswellen, die rhythmisch über einen Kiesstrand schwappen.

Schirmers Theater ist vor allem ein visuelles: Als Tanz- und Schattenspiel (Choreografie: Elvira Ihne-Landesberger) bezaubert es über lange Strecken selbst ohne eine gesprochene Zeile. Wie fruchtbar freilich ihre Zusammenarbeit mit der Texterin Fabrizek ist, weiß man seit der Zusammenarbeit der beiden beim Musical „Gisela und Stephan“.

Wenn die Bewohner des Meeres die Wellenbewegungen nachbilden, so wird bei Schirmer aus dem Effekt – und nicht nur aus diesem – etwas ganz Großes. Die jungen Darsteller verschmelzen zur Flüssigkeit, um als Pflanzen und Ungeheuer wieder auszukristallisieren. Es entstehen – nicht zuletzt dank der wunderbaren Kostüme – magische und poetische Bilder von großer Perfektion. Andere Höhepunkte bilden die sakrale Initiation und Bekränzung der Meerjungfrau oder der Auftritt der Meerhexe (Lukas Höcherl).

„Der Schatten und die Meerjungfrau“ entführt nicht nur Kinder aller Altersstufen in eine unterseeische Traumwelt.

Text: © Roland Scheerer, Pfaffenhofen 2015

Bilder: © Heinrich Fischer, Pfaffenhofen 2015