Schyren-Gymnasium Pfaffenhofen
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Montag, 22. Oktober 2007, 19.30 Uhr: Elternbeirat und Fachschaft Deutsch luden ein zur 21. öffentlichen Autorenlesung in der Aula des Schyren-Gymnasiums.
Erich Loest ist bekannt als Autor des verfilmten Wenderomans „Nikolaikirche“.
Sein neuer Roman „Sommergewitter“ schildert den Aufstand am
17. Juni 1953 in Ostdeutschland. Er erzählt aus der Sicht verschiedenster
Charaktere und Gruppierungen, so dass sich ein abgerundetes Bild ergibt: Da
sind Regimekritiker, Regimetreue und politische Gefangene.
Erich Loest weiß, worüber er schreibt. Er wurde am 24.2.1926 in
Mittweida (Sachsen) geboren. In seinen frühen Werken vertrat der überzeugte
Kommunist die Sichtweise der DDR-Regierung. Doch der 17. Juni 1953 veränderte
sein Weltbild. Als SED-Mitglied und Vorsitzender des Schriftstellerverbandes übte
er offene Kritik, was zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe im berüchtigten
Zuchthaus Bautzen II führte.
1981 reiste er mit einem Dreijahresvisum nach Westdeutschland und kehrte nicht zurück – bis nach dem Fall der Mauer. Heute lebt er wieder in Leipzig. Für sein Werk und Wirken wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 1999 mit dem großen Bundesverdienstkreuz.
• Ein
kostenloses Begleitheft und eine dokumentarische Ausstellung in der Aula informierten über
den Autor.
• An einem Büchertisch gab es Werke des Schriftstellers, die er
auf Wunsch signierte.
• Nach der Lesung waren alle besonders interessierten Literaturfreunde
eingeladen zum Gespräch in zwangloser Runde.
Die Kosten trug wie bisher der Elternbeirat.
Ursula Beyer
Lesung von Loest vor 200 Hörern
Erich Loest, geboren 1926, überraschte die etwa 200 Besucher im Schyren-Gymnasium
zunächst mit einer Würdigung der Vorbereitung seiner Lesung. Er zeigte
sich sehr angetan über das Erscheinen eines Programmheftes und die Gestaltung
einer Ausstellung zu seiner Person durch Ursula Beyer vom SGP.
Anschließend erzählte er von den historischen Rahmenbedingungen,
die seinem Roman „Sommergewitter“ zugrunde liegen. Fast unmerklich
leitete er ins Vorlesen über, wobei die erste Episode das Hineingleiten
eines seiner Romanhelden, eines Arbeiters in der Elektroindustrie, in
die Verwicklungen des 17. Juni 1953 in der DDR zum Thema hatte. Der zweite
Romanausschnitt schilderte den Versuch seines Protagonisten nach dem Arbeiteraufstand über
die damals noch relativ offenen Grenzen nach Westberlin zu gelangen.
Beinahe noch spannender waren für den geschichtlich Interessierten die differenzierten Antworten auf Leserfragen, die Loest in einem Ton gab, der gleichzeitig auch wieder den routinierten Erzähler verriet.
Loest wies darauf hin, dass es sich bei den Ereignissen des
17. Juni nicht um einen Volksaufstand, sondern einen Arbeiteraufstand gehandelt
habe, der vor allem von Männern initiiert wurde, ganz im Gegensatz zu 1989, als auch viele Frauen
die friedliche Revolution in der DDR mit trugen.
Obwohl Loest ein Interesse der westdeutschen Politik und der Westmächte
an den Unruhen im Osten strikt verneinte – man war eher an einer Stabilisierung
des gegenwärtigen Zustandes interessiert – bezeichnete er den Umgang
mit dem 17. Juni in Westdeutschland als Propaganda: Es sei den Arbeitern damals
nicht um die deutsche Einheit gegangen, dazu kannten sie die Rahmenbedingungen
viel zu gut: die in der DDR stationierte Rote Armee und die Abhängigkeit
von der Sowjetunion. Von Intellektuellen, Professoren und Studenten, sei 1953
ebenso wie 1989 kaum etwas bis nichts zu sehen und zu hören gewesen.
Der große Unterschied zwischen 1989 und 1953 bestand darin, dass die Russen unter Gorbatschow der DDR-Regierung deutlich gemacht hatten, dass sie nicht eingreifen würden, während sie unter Stalin eingreifen mussten. „Aber sie haben nicht geschossen“, betonte Loest, allein die Anwesenheit der Panzer in den Städten habe genügt, den Arbeiteraufstand zu beenden.
Zu seinem persönlichen Schicksal – er saß immerhin sieben Jahre im Zuchthaus wegen seiner Haltung zu den Ereignissen - meinte Loest: „Ich habe nie bereut, meine Meinung zum 17. Juni zu haben, aber ich fragte mich oft, warum ich so blöd gewesen war, nicht abzuhauen. Ich hätte es mir leichter machen können. Zunächst dachte ich, die Partei – die SED – müsste etwas aus den Vorgängen lernen, aber als das nicht geschah, kam es zunächst zu einem Riss, später dann zu einem Bruch in meinem damaligen Weltbild, und zwar weg vom Kommunismus.“
Zu Beginn der Veranstaltung hatte Ursula Beyer viele Ehrengäste begrüßen dürfen, darunter die pensionierten Direktoren Hans Erdle, Josef Irlinger – beide SGP - und Reinhard Koller, aber auch den Kulturreferenten der Stadt, Hellmuth Inderwies, und die stellvertretende Vorsitzende des Elternbeirates, Gesa Minkenberg. Ursula Beyer hob besonders das große finanzielle Engagement des Elternbeirates hervor. Nikolaus Lörz meinte im Anschluss an die Veranstaltung: „Mich als Elternbeiratsmitglied freut es sehr, dass wir auch Veranstaltungen unterstützen können, die wirklich eine Bereicherung des kulturellen Lebens in Pfaffenhofen darstellen.“
Hans-Georg Haehnel, Pfaffenhofen im Oktober 2007