Schyren-Gymnasium Pfaffenhofen
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D i e  DDR gab es nicht“

Mit dieser Bemerkung eröffnete die Medizinerin Dr. Irmgard Schultz, geboren 1939, die Podiumsdiskussion am Schyren-Gymnasium zum Thema „Die DDR – mein Vaterland?“. Schultz erklärte ihre Aussage damit, dass jeder einzelne „seine“ DDR erlebt und die DDR sich in 49 Jahren auch stark verändert habe. Bis Mitte der 60er Jahre sei auch sie der Überzeugung gewesen, dass die DDR der bessere und gerechtere deutsche Staat gewesen sei: „Unter der Überschrift ‚Nie wieder Krieg, nie wieder Ausbeutung‘ bauten Idealisten und ehemalige Verfolgte des NS-Regimes auf der Grundlage einer humanistischen Tradition eine faszinierende Alternative zum Deutschen Reich auf.“

Dann wurden die Zustände schlechter und Idealisten zu Funktionären. „Macht korrumpiert irgendwann jeden. Das gilt übrigens auch für hier“, fügte Markus Pfeiffer, geboren 1960, hinzu und verwies auf die Informationsspeicherung in den neuen Pässen und Personalausweisen: „Das hat nicht einmal die Stasi hingekriegt.“


Vlnr: Dr. Kettner, Schleßing, Pfeiffer, Kögler, Dr. Schultz

Zu der Veranstaltung hatte die Fachschaft Geschichte am 24. November eingeladen, Lorenz Kettner leitete die Aussprache. Das Schulsystem in der DDR erläuterten Livia Schleßing, geboren 1970, und die 1972 geborene Birgit Kögler und definierten die Polytechnische Oberschule als eine zehnklassige Gesamtschule: „Es war ein sehr gerechtes Schulsystem, das Arbeiterkinder besonders förderte, man blieb bis zur zehnten Klasse zusammen.“ Kein gutes Haar ließen die Diskutanten an der Wehrerziehung, die sich mit verordneten Handgranatenweitwürfen und Atomschutzübungen lächerlich machte.
Die Schilderung der Versorgungslage machte deutlich, dass jeder genug zu essen hatte und die Grundnahrungsmittel sogar staatlich subventioniert waren – über 40 Jahre lang kostete eine Semmel fünf Pfennige – während man bei sogenannten Luxusartikeln, einer Dose Ananas zum Beispiel, durchaus tief in die Tasche greifen musste. Leicht ironisch nannte Birgit Kögler das wechselnde Nahrungsangebot die „Basis für eine jahreszeitbezogene Ernährung“.


Dr. Schultz schilderte die Verhältnisse in der medizinischen Versorgung. Die meisten studierten mit einem Stipendium des Staates Medizin, auch Allgemeinärzte hatten eine Facharztausbildung, es gab keine Privatversicherung und keine Budgets, Krankenhäuser mussten keine schwarzen Zahlen schreiben. Statt niedergelassener Ärzte hatte man Polikliniken für die ambulante Versorgung, die durch die Zusammenarbeit der Mediziner recht effektiv arbeiteten. Allerdings war man technisch nicht so gut ausgestattet wie im Westen. „Ich musste noch Herzfehler hören können, denn ein Ultraschallgerät hatten wir nicht.“


„Was ist der Grund für ‚Ostalgie‘ und ist sie angebracht?“, fragte Lorenz Kettner die Runde. „Wir hätten gerne einiges herübergerettet, was von den ‚Siegern der Geschichte‘ kaputt gemacht wurde, zum Beispiel die Sicherheit der Arbeitsplätze, die umfassende Kinderbetreuung, die Polikliniken, die Bildungsmöglichkeiten, die preiswerte – nicht billige! – Kultur“, darin waren sich die ehemaligen DDR–Bürger einig. Die Vergangenheit stellt sich sowohl als weiß als auch als schwarz dar, denn die Überwachung durch die Staatssicherheit, die fehlenden Reisemöglichkeiten und die Toten an der Grenze zeigen die andere Seite der DDR. Sie zeigen auch, woran sich der Mensch gewöhnen und wie er sich beeinflussen lassen kann. „Aber“, so betonte Markus Pfeiffer, „man musste nicht alles mitmachen, man konnte sich auch wehren.“

Bilder und Text: © Hans-Georg Haehnel, Pfaffenhofen 2010


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